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Review zu LEGO® VIDIYO™

Anfang März hat Lego seinen nächsten Versuch gestartet, die digitale und die physische Steinchen-Welt zu verschmelzen. Nach dem völlig misslungenen Hidden Side Thema und der überraschend erfolgreichen Super Mario-Reihe kommt nun VIDIYO™.

Im Zentrum dieser Reihe steht eine mobile App, die Lego selbst als Video Music Maker beschreibt. Das trifft es ziemlich gut, denn die Aufgabe ist es kurze Musikvideos zu produzieren, in denen man eine Band aus Lego-Figuren zusammenstellen und sie zu ausgewählter Musik tanzen lassen kann.

Damit Lego auch Geld verdient gibt es dazu passende Figuren die man in Cases – sogenannten Beat Boxes – oder als Zufallsfigur aus der dazugehörigen Figurenserie ziehen kann.

Beatbox & Figuren

Fangen wir mit den realen Komponenten an. Zum Start gibt es 6 Beat Boxen, die alle eine Figur und eine Schatulle und 16 BeatBits (Erklärung folgt weiter unten) enthalten.

Die Figuren haben illustre Namen wie Candy Mermaid oder Punk Pirate stellen das aktuelle Ultimo der Lego Figuren dar. Hier hat man wirklich alles rausgeholt, was aus Figuren rauszuholen ist. Neue Molds für die Köpfe, Arm- und Beinbedruckungen, dual molded Beine, Sonderhaarteile und neues Equipment prädestinieren die gesamte Reihe für Figuren-Sammler mit Lust auf viel Farbe und Charme.

Die Beatboxen selbst sind auf den ersten Blick gut gelungen. Sie sind stabil, lassen sich gut öffnen und schließen, bringen neue Teile und Farben mit und dienen der App als Basis. Dazu später mehr. Besonders gut gefallen mir die hinteren Deckel, für die in den Anleitungen sogar ein paar Alternativ-Builds abgedruckt sind.


Bei genauerem Hinschauen offenbaren sich aber doch einige Schwächen. Mit dem Deckel hören sich die Lego-Funktionalität nämlich schon fast auf. Der Transparente Deckel hat keine einzige Noppe und lässt sich auch nur von einer Seite auf den Boden aufstecken. Auch im inneren des Bodenteils gibt es keine Noppen sondern nur Halterungen für die BeatBits. Und der eigentliche Figurensockel hat dank des fest angebrachten Bodens auch nur eine sehr eingeschränkte Anwendungsmöglichkeiten in anderen Builds. Da hätte ich mehr von Lego erwartet. Hat man mehrere Boxen lassen sie sich nicht vernünftig stapeln weil es dazu keine Kerben gibt und der Henkel mehr im Weg ist als zu nützen.
Was mich aber an der Box am meisten triggert ist der Mold-Aufhängpunkt, der genau in der Mitte der klaren Frontscheibe ist. Ein Kind mag das nicht stören aber das ist wirklich der schlechteste Ort dafür. Es ist auch ein wenig frech, den Punkt auf den Promo-Fotos einfach zu unterschlagen.

Die 20 Euro Listenpreis sind für Boxen klar zu teuer, für die 15 Euro im freien Handel kann man sich schon einmal eine mitnehmen.

Die Figurenserie kommt nicht wie alle bisherigen Serien in Plastikblistern sondern in Pappboxen daher. Der Grund dahinter dürfte aber weniger Umweltschutz sein (Im Inneren ist doch nochmal Plastik drum). Damit nimmt einem Lego die Möglichkeit, den Inhalt zu erfühlen. Wer sammeln will muss also mit mehrfachen Leben oder sich eine ganze Box kaufen.

Figurenserie

Bei jeder der 12 Figuren sind drei BeatBits dabei wovon immer einer exklusiv zur Figur gehört. Dafür zahlt man dann 4,99 Euro, also einen Euro mehr als für bisherige Figuren. Im Grunde ist das auch zu teuer aber bei Figuren vertrete ich generell die Einstellung, dass sie im Allgemeinen keinen Wertverlust haben. Daher ist der Preis relativ egal. Das Kind kann sie mal alle auf dem Flohmarkt verkaufen und freut sich über ein aufgebessertes Taschengeld.

Was kann die App?

Zunächst einmal zum Ablauf. Nach der Installation der kostenlosen App und einem zusätzlichen mehrere 100 MB großen Upgrade kann es direkt und auch ohne eine Figur losgehen. Im ersten Schritt erstellt man sich eine eigene Band in die man eine virtuelle Figur einsetzen kann. Zwei weitere können dann durch abfotografieren der realen Lego-Pendants hinzugefügt werden. Den Namen der Band kann man nur aus einer Liste auswählen, eigene Texte sind nicht möglich. Hier fehlt mir ein wenig die Lokalisierung. Die Namen sind allesamt englisch und für ein deutsches Kind bis zu einem gewissen Alter daher nicht viel mehr als Buchstabensalat.

Als nächstes wählt man einen Song aus der Musikbibliothek aus. Dank einer Kooperation mit der Universal Music Group sind hier einige große Namen vertreten. Kate Perry, Elton John oder The Weeknd sind mit dabei. Auch hier fehlt mir ein wenig deutsche Musik auch wenn es immerhin eines gibt.

Als letzten Schritt kommen nun noch die BeatBits ins Spiel. Diese 2×2-Lego-Plates sind mit Motiven bedruckt, die während der Videoaufnahme verschiedene Effekte auslösen. Bis zu 12 davon kann man in einem Video einsetzen.

BeatBits

Welche man zur Verfügung hat, entscheidet man selbst, indem man sie in die Beatbox einbaut, die man vor dem Start der Aufnahme einscannt. Auch diesen Schritt kann man auslassen, wenn man keine Figuren hat. Dann werden BeatBits per Zufall ausgewählt.
Wer mehr Details zu den einzelnen Bits will, sollte mal hier bei stonewars.de vorbeischauen.

Jetzt ist man bereit, um sein erstes Video produzieren. Mit dem Handy in der Hand sucht man sich einen geeigneten Ort im Zimmer oder auch draußen, der als Bühne dienen kann. Dank der bereits bei Hidden Side erprobten und (bei ausreichend Licht) gut funktionierenden Augmented Reality Technologie kann man seine Bandmitglieder auf allen halbwegs glatten und opaken Oberflächen zum tanzen bringen. Während der ca. 30 Sekunden, die man nun sein Video aufnehmen kann kann man mit der Kamera frei um die Figuren schwenken oder sich dazustellen und mittanzen.


Das Highlight bei der Video Produktion sind aber die Beatbits. Sie werden während der Aufnahme auf dem Bildschirm angezeigt und können durch einen Klick ausgelöst werden. Plötzlich zieht sich die Band Hühnerkostüme an, macht besondere Tanzbewegungen oder verschwindet durch ein Portal kurz im Boden. Auch grafische Effekte wie Luftballons, Regen oder ein Blaufilter lassen sich aktivieren. Richtig zum Schmunzeln gebracht hat mich zum Beispiel ein Einhorn, das plötzlich von einer Seite auf einem Regenbogen durchs Bild geflitzt und zu meiner Balkontür hinausgestürmt ist.
Nach ca. 30 Sekunden endet die Aufnahme automatisch und das Video wird in einer lokalen Bibliothek abgelegt. Man erhalt auch so etwas wie Punkte und kann neue Skins für seine Figuren freischalten. Das ist ganz nett aber zum Glück nicht so übertrieben, wie bei Hidden Side. Man kann das Feature also getrost ignorieren.

Ein weiteres Kernfeature ist allerdings das angebundene soziale Netzwerk, das Lego ausschließlich für VIDIYO™ zur Verfügung stellt. Hier kann man die Videos hochladen und mit der Lego-Welt teilen. Und „Welt“ ist dabei wörtlich gemeint, die ersten Videos, die ich mir dort angesehen habe, hatten alle asiatische Titel.
Der Schutz der Kinder hat dabei einen besonders hohen Stellenwert. Jedes Video wird (laut Lego) von einem echten Menschen verifiziert um unpassende Motive oder zu private Details zu blockieren. Ein freies Kommentieren ist auch nicht möglich, dazu können lediglich vorgegebene Tags und Emojis verwendet werden, die natürlich alle einen positiven Grundton haben.

Die Benutzerführung ist dabei deutlich besser, als bei der völlig überfrachteten Hidden Side App. Alles ist viel aufgeräumter, es gibt Hilfeseiten und meistens nur wenige Knöpfe, mit denen es weitergehen kann. Aber perfekt ist es immer noch nicht. Wieso muss ich zum Beispiel auf einen Play-Knopf drücken um eine Aufnahme zu starten? Und wieso funktioniert der Zurück-Knopf nicht, wenn ich ein Video im Vollbild ansehe?

Bugs! Mal wieder!

Ach ja, Lego und seine Apps. Es scheint schon fast zur Firmenphilosophie zu gehören, Apps technisch unausgereift auf den Markt zu bringen. Neben unterirdischen Ladezeiten (auf meinem halbwegs aktuellen Android-Gerät), mittelmäßiger Bilderkennung und ein paar kleineren Problemen mit der AR stürzt die App im Moment bei mir bei jedem zweiten Versuch, eine Video-Aufnahme zu starten, ab. Ohne jegliche Fehlermeldung! Das darf einfach nicht sein.

Des Öfteren werden auch nicht alle BeatBits erkannt, die ich in die Box gesteckt habe oder es braucht mehrere Versuche, bis er die Figur überhaupt scannt. Das sorgt für Frust und Lego riskiert so, dass die App schnell für schlecht befunden und für immer weggelegt wird. Hier müssen sie dringend nachbessern, mit den Figuren alleine wird sich die Reihe nicht am Leben halten lassen.

Fazit und Bewertung

VIDIYO™ hat Potential! Es gibt Kindern eine einfache Möglichkeit kreative kleine Videos mit cooler Musik und netten Effekten zu erstellen ohne große technische Hürden überwinden zu müssen. Bei den ersten Versuchen sollten die Eltern aber schon ein wenig Hilfestellung geben. Gerade die kooperativen Möglichkeiten beim Video erstellen hebt diese Serie im Vergleich zu Hidden Side und Super Mario hervor. Und als Tauschobjekte auf dem Pausenhof sind die Figuren und BeatBits auch geeignet.

Die Preise könnten sicher ein wenig niedriger sein, das Geld muss aber die App und die Universal-Musik querfinanzieren, deshalb kann ich sie nachvollziehen. Kauft man im freien Handel und kalkuliert man den Wiederverkaufswert mit ein, relativiert sich dieses Problem allerdings schnell.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Reihe in großen Teilen der Welt gut ankommen wird, in Deutschland wird sie es aber schwer haben. Wir sind einfach digitalen Produkten gegenüber zu negativ eingestellt und es herrscht immer noch die Meinung vor, dass alles was vor einem Bildschirm passiert, schlecht für Kinder ist. Dazu kommt noch der völlig ungerechtfertigte Shitstorm, den Lego hier im Moment ertragen muss. Da hat es ein neues Thema schwer.

Ich kann nur jedem den Tipp geben, probiert es selbst aus. Die App ist umsonst und kann vollständig benutzt werden. Man kann auch einfach Bilder von Figuren abscannen um sie freizuschalten. Wenn man dann noch zwei der 5-Euro-Figuren kauft hat man auch ein wenig Lego dabei und kann mit seinen Kids tolle, lustige Videos produzieren.